Das Schlimmste liegt nun schon hinter mir.
Mehrmals nachts öffnet sich die Türe. Ein Spalt Licht wandert in das durchgehend leicht beleuchtete Zimmer. Wie automatisch biete ich meinen Arm zur Blutdruckmessung. Was normal bei mir zu Hochdruck neigt, kehrt sich bei OPs ins Extreme um. Nichts Aussergewöhnliches. Die Nachtschwester entscheidet sich für eine Infusion zur Stabilisierung. Auch das wird sich nicht entscheidend auswirken.
Hin und wieder meldet sich auch die Bettnachbarin mit ihren Anliegen, von der ich bisher nur ihren blondfarbenen, lockigen Hinterkopf und ihre Schlaftablettenstimme kenne.
Ich werde wohl Grillkohlen kaufen müssen. An der Axt hab ich’s mal richtig verkackt. Für das Kaminfeuer wollte ich endlich mal selbst mit meiner neuen Axt Holzspäne spalten. Ich hab es nur einmal durch das Scheit geschafft. Die restlichen Versuche erstickten gleich kurz unter der Holzoberfläche. So musste ich auch nach jedem Hau die Axt mit für mich großem Kraftaufwand wieder aus dem Holz ziehen. Dabei passiert es.
Dann geht alles schnell: ich spüre einen stechend brennenden Schmerz an meiner linken Hand, ich sehe jede Menge Blut, die Wunde ist groß, größer als alles bisher, ich nehme die Hand in den Mund und schreie und renne gleichzeitig. Als J mich sieht, mag er das Ausmaß noch nicht so recht glauben und/oder seine Rettersouveränität schlägt durch, in der Küche nimmt er mir erst mal mein Armkettchen ab, während ich wie wild mit dem Küchenkrepp kämpfe. Er kann so scheiss souverän sein. ICH GERADE NICHT.
Nachdem es mir verdammt schlecht und schwarz vor Augen wird, erfahre ich, dass das rein psychologisch wäre. Meine Psychologie hat davon noch nichts gehört, auch wenn es mehrmals gebetsmühlenweise wiederholt wird.
Bei der Wunde sind wir uns einig. Auch dürfte ein Gefäss verletzt sein, so pumpt das Blut. Das muss im Krankenhaus genäht werden.
Psychologisch hin, psychologisch her, mir ist übel mir wird schwarz vor Augen, ich sitze am Boden, so geht das Zimmer für Zimmer, von Küche über Esszimmer und Gang über Windfang bis ich im Auto sitze. Hier darf ich endlich ohnmächtig werden. Wie aus dem Off höre ich, dass ich fest drücken muss, sonst könnte ich verbluten. Bei J bestelle ich Blutkonserven und eine Notfalleskorte, weil der Verkehr nicht weichen will. Meine Mutter und meine Schwester haben meine Patientenverfügung für alle Fälle.
Das Küchenkrepp färbt sich jetzt nicht mehr so stark rot. Ich habe Erfahrung mit Schnittverletzungen und Druckverbänden an der Hand. Entweder eine Proseccoflasche explodiert sich in meinen Handballen oder ein Gemüsehobel hobelt sich in den Daumen. Normalerweise kein Grund zur Hysterie. In meiner Wohnung hatte ich Verbandsmaterial dezentral an den neuralgischen Plätzen.
Doch diese Verletzung hat eine neue Dimension. Ein Pflaster reicht diesmal nicht.
An der Notaufnahme erkennen die Damen sofort den Ernst meiner Kondition und packen mich in einen Rollstuhl, während ich sie noch darüber aufklären will, dass das rein psychologisch wäre. In der Zwischenzeit würden sie mit meinem Gatten die Formalitäten klären. Ich will noch in die Kapelle, um das zu besiegeln, doch die Notaufnahme hat keinen Sinn für Romantik und wartet schon auf die, die Cowboy und Indianer gespielt hat …