Herzige Fahrt! Unbeirrbare Schafe und Ziegen, Hirtenhund tapsig dazwischen, Schäfer auf Pferden, zwei Männer unter einem Maronenbaum, Mann auf Bagger. Als ich den Rastplatz verlasse, sind meine Zigaretten an die Raucher ausgegeben, Caramellos und Obst an die Nichtraucher. Ich bin mit einem Granatapfel und drei (das Angebot war grossmütiger) Maronen reich beschenkt.
In Ksamil verlockt ein riesiger Parkplatz direkt an der Strasse noch zum Verweilen. Vor mir das Ionische Meer nebst Fisch- und Muschelfarm und Korfu, hinter mir der Butrintsee, südlich von mir Butrint, die antike Ruinenstadt und unweit der griechischen Grenze. Hier entdecke ich auch die kleine Strasse nach unten und so finde ich den perfekten Platz für die Nacht vor dem Tor zur Fischfabrik. Ein Auto steht noch hier. Ich telefoniere und beobachte im Meer vor mir einen Taucher, der nun aus dem Wasser steigt. Er gehört zu dem einsamen Auto unter dem Baum. Ich grüsse. Ich telefoniere noch immer. Er kommt näher und überreicht mir ein wunderschönes braunes Meerschneckengehäuse. Und verschwindet.
Ich hab es in all der Zeit der Rührung nicht geschafft, zu weinen. Heute weine ich. Endlich.
Am nächsten Morgen, meine Türen sind offen, streunern eine Mutter und ihr kleiner Sohn vor dem Auto. Ich beobachte ein bisschen, grüsse wie üblich, und biete dem Kind – nicht ohne Einverständnis der Mutter – ein Caramello an. Sie sammeln auf dem Platz leere Dosen. Ich biete auch mein Leergut an. Plastik verschmähen sie. Schön langsam wird mir die Situation klar. Ich schenke ihnen mein Brot, das sie gerne nehmen. Sie sind Zigeuner. Noch bevor der ältere Sohn mit seinem dreirädigen Mobil auftaucht, um die beiden mit ihren Schätzen einzusammeln, bettelt sie mich noch um Geld an. Der ältere Sohn sieht ebenfalls seine Chance und schnorrt um Zigaretten.
Das war schon sehr früh am Morgen. Danach schiesst ein Auto auf den freien Parkplatz neben mir. Zu diesem Zeitpunkt sitze ich trödelig mit meinem Kaffee an den betonierten Stufen Richtung Meer. Ich stelle mir gerade vor, wie man damals in der kommunistischen Ära hier in der Gegend (aufgrund der Nähe zu Korfu) schwimmend mit einer halben Melonenschale auf dem Kopf einen Fluchtversuch startet. “Mirdita.” Muffig und einsilbig erklärt er mir, dass er Polizist wäre, zeigt mir seine Marke. Ich kann sie ob der Entfernung und meiner Kurzsichtigkeit nur erahnen. Albania, ich hab dich noch immer lieb “Albania mirë.” Er schwirrt um mein Auto. Harrt etwas aus. Springt in sein Auto und schiesst wieder vom Parkplatz …
Vage verwirrt geht es mit meinem Vormittagsprogramm trödelig weiter. Für den Besuch von Butrint ist nun auch kein Platz mehr. Zuviele antike Steine und way tooo much Geschichte. Gut, dass ich nicht Archäologin geworden bin. Die kleine Fähre am Ende dieser kleinen Halbinsel wäre jedoch reizend. Wenn sie heute nicht schon 10 EUR dafür verlangen würden.