An der iranischen Grenze in Al-Shalamcha suchen wir zuerst die Customs auf, die sich um das Carnet kümmern. Am Schalter ist man auf den ersten Eindruck verhalten, als ich das Carnet vorlege. Rücksprachen werden gehalten. Der überübernächste Kollege übernimmt inklusive Begutachtung des Fahrzeuges mit Fahrgestellnummer-Kontrolle. Danach sollen wir zur Ausreise an die Passstelle. Das Auto bleibt hinter der Schranke und wir machen uns auf aus diesem Gelände zu Fuß auf das Gelände der iranischen Ausreise, die auch die Fußgänger nutzen. Wir nehmen den linken Eingang und landen an der Gepäckkontrolle. Hier sprechen wir einen der anwesenden Bewacher an und erhalten Geleit zum rechten Eingang und schlussendlich sorgt er auch noch dafür, dass wir nicht in der Schlange hintenanstehen müssen und instruiert seinen Kollegen im Häuschen. Über denselben Weg, den wir gekommen sind, geht es wieder zurück durch Schranke zum Auto. Und damit sind wir offiziell aus dem Iran ausgereist, so schnell ging das.
Mit unseren Papieren können wir jetzt auf den nächsten Hof, der ebenfalls beschrankt ist. Es ist ein großer Platz, auf dem schon zahlreiche Lkws stehen und teilweise noch Fracht umladen für den kleinen Grenzverkehr. Nach unserer Mittagspause, in der wir auch unsere Drohnen ins sichere Versteck bringen, nehmen wir die Aktivitäten wieder auf und wir finden – erst auf Nachfrage bei einem Kraftfahrer – in hinterster Front die unscheinbare und unbeschilderte Zufahrt zu dem nächsten Posten an der irakischen Grenze. Der Weg ist unbefestigt und uneben. Hier müssen wir nach Passkontrolle an der zweiten Station nach kurzer Inspektion der Kabine unser Auto abstellen und zu Fuß die nächsten Aufgaben für den Irak absolvieren. Zu allererst gehen wir zur Passstelle. Mehrere Schalter stehen zur Verfügung – besetzt und unbesetzt, vor denen die Menschen Schlange stehen. Wir sollen uns rechts einordnen, was jedoch die Frauen-Schlange ist. Während Jürgen zu der geordneten Männer-Schlange wechselt, bekomme ich Schnappatmung in meiner wilden Truppe. Ich werde wohl nie an den Anfang der Schlange gelangen, wenn alle drängeln und schnattern. Wir werden von den Behörden entdeckt und bevorzugt zu einem unbesetzten Schalter bestellt. Der Offizier mit Rolex-Fake am Handgelenk, der den Schalter übernimmt, blickt erst noch ratlos, bevor er uns an die Visastelle verweist. (Das Irak-Visum kann leicht ‚on entry‘ erstanden werden – wie wir uns informiert haben.) Er zeigt mit seiner Hand in die Richtung des Ausganges. Vor dem Ausgang sehen wir den Wald vor Bäumen nicht. Das Gelände ist weitläufig und verwirrend, Holzbuden, Container, Gebäude, Scannerbereich, dazwischen noch der Laufkäfig für die Fußgänger. Wir fordern Unterstützung an und es wird uns ein Lotse zur Verfügung gestellt. Kreuz und quer werden wir zu einem Gebäude geführt, in dem in dem großen gefliesten Ankunftsraum gerade ein 3*-Offizier sein Mittagessen an dem einzigen Tisch im Raum zu sich nimmt. Wir werden mit den Visum-Fragebögen zum Ausfüllen in einem angrenzenden Büro geparkt. Im Nebenraum erhalten gerade 3 Polen ihre Visa. Als wir an der Reihe sind, bemerke ich zuerst den großen und stolzen 1*-Offizier in Uniform, am Handgelenk eine Daytona – höchstwahrscheinlich ebenfalls Plagiat. Hinter ihm auf dem Safe ein übergroßes Gesteck mit gelben Kunstblumen, vor ihm an der Wand ein rosa Spiegel aus Plastik in Blütenform. Die Wände sind mit Folie in Holzoptik beklebt. An den Tür- und Fensterrahmen sind noch die Schutzfolien. Die Prozedur ist zeitraubend. Er muss unsere Koordinaten in den Visa-Aufkleber und 3mal in unterschiedliche Formulare in je einen Block mit Durchschrift per Hand ausfüllen. Danach wird noch alles für seine Ablage kopiert. Einmal ver-kopiert er sich und der sonst so ernste Offizier muss selber schmunzeln. Die Originale könnten wir nach Übergabe wegwerfen – sie erfüllen keinen Zweck. Pro Visum sind 75 Dollar (statt 60) fällig. Den Weg zurück zum Schaltergebäude finden wir erstaunlich zielsicher.
Hier erfahren wir, dass wir nun bei der Carnet-Stelle vorsprechen müssten. Auch hier kann nur ein Ortskundiger den Weg uns weisen. Es geht wieder quer übers Gelände in eine Zeile, die beidseitig von Containern gesäumt ist – nicht die Einzige. Ausschließlich Männer in Zivil sind bei der Unterhaltung und beim Rauchen zu sehen. In unserem Container dürfen Jürgen und ich Platz nehmen und ein Mitarbeiter, ebenfalls in Zivil, übernimmt den Carnet-Vorgang. Zwischendurch wechseln die Verantwortlichen. Das Publikum strömt ständig wie im Taubenschlag und einer nimmt an dem zweiten Schreibtisch Platz, an dem der Bürostuhl keine Polsterung mehr an der Kopflehne hat. Dieser lacht gerne über seine Witze. Nach seinem kurzen Stelldichein verlässt er den Platz wieder. Es dauert … Formulare ausfüllen und davon 5 Packen Kopien konfektionieren. Der Raum ist ebenfalls mit Folie, diesmal in zartem Beige, beklebt. An der Wand hängt ein Bild von Imam Ali, dem ersten und damit wichtigsten Imam, mit einem Löwen vor den Füßen. Ali war der Schwiegersohn von Mohamad und mit seiner Tochter Fatima verheiratet. Die Bearbeitung für das Carnet (oder auch Straßenbenutzungsgebühr) und Versicherung für das Fahrzeug kosten zusammen 50 Dollar, was uns überrascht. Danach sollten wir noch einen Stempel in Jürgens Pass besorgen, der von der Einfuhr des Fahrzeugs zeugt. Dazu müssen wir wieder in die gute Stube zu dem Offizier mit dem rosa Spiegel. Dank Jürgens Orientierung finden wir allein wieder dorthin. Im Büro angekommen, sitzt nun ein anderer Offizier. Als wir ihm den Reisepass mit Carnet zeigen und einen Stempel mimisch andeuten, schaut er noch verdutzt. Er telefoniert und bekommt – wie es scheint – hilfreiche Instruktionen. Aus dem Safe, in dem etliche Stempel verwahrt sind, fischt er nach mehreren Versuchen den richtigen und verpasst damit Jürgens Pass die Vollständigkeit. Nun können wir zum Auto zurück. Am Auto empfängt uns dieser Offizier recht freundlich. Er weist uns an zu fahren – er fährt mit uns. Ich rechne noch stark mit einem Scan oder einer deutlichen Untersuchung des Autos – bisher war es eher oberflächlich – Kabinenschau und Drogenhunde. Doch ich täusche mich erfreulicherweise und wir streben zielstrebig den Exit an. Er lässt uns auch die wartenden Lkws überholen und so sind wir auch schnell an dieser Station nach insgesamt zirka 4 Stunden – was eine Spitzenleistung ist – vom Hof. Stilechter kann man sich einen arabischen Grenzübertritt eigentlich nicht vorstellen.
Wir übernachten auf dem großen Parkplatz an der Grenze und fahren am nächsten Morgen los zur Grenze Irak-Kuwait. Der Weg führt uns durch die Stadtmitte von Basra. Am Verkehr hat sich nicht viel geändert seit Iran. Basra ist ebenso geschäftig, wie wir es sonst kennen. Fisch, Obst, Gemüse auf den Straßen. Shops aller Bereiche in den Gebäuden. Obwohl uns an der Grenze noch erklärt wurde, im Irak gäbe es keine Kopftuchpflicht, sehe ich – falls man überhaupt Frauen zu Gesicht bekommt – nur Frauen, ausschließlich gekleidet in Tschadors. Ich bin irritiert. Noch einmal kurz durch Safwan und am Ortsausgang erwartet uns schon die Grenze.
Nach dem Erlebnis der Einreise in den Irak bin ich gespannt auf die Ausreise. In der Hauptsache sind wir mit dem Carnet beschäftigt. Jürgen muss ein Büro aufsuchen, das in einer gezeigten Richtung liegt. Mit viel Glück finden wir das Gebäude. In dem Büro, in dem der Offizier erst mal noch gemütlich auf dem Sofa liegt und plaudert, dauert es schon eine Weile, bis man sich Jürgen zuwendet. Als die Formalitäten soweit abgeschlossen sind, sind 20 Dollar fällig. Dann mit dem Papierkram zurück zu dem ersten Büro. Wir können ausreisen. Zwischen beiden Grenzstationen fällt mir auf, dass Irak uns das Carnet nicht ausgestempelt hat. Eine der schlimmsten anzunehmenden Situationen, da die Behörden berechtigterweise annehmen, das Auto wäre nicht ausgeführt worden und Zoll wäre fällig. Wir fahren zurück und holen uns noch den fehlenden Stempel. Phew!
Die Kuwait-Grenze ist sehr entspannt. Ein Areal, an dem wohlgeordnet schöne Gebäude angesiedelt sind. In der Arrival Hall legen wir lediglich unsere Visa-Nummern vor und die Visa werden ausgedruckt. Wir hatten die Visa online vor ein paar Tagen beantragt. Im Anschluss dürfen wir uns einen Stempel holen. Es ist so gut wie nichts los. Im selben Saal führt noch eine Tür zum Fingerabdruck-Scanner. Damit ist dieser Punkt schon erledigt. Eine Station weiter will man sich um das Carnet kümmern. Dazu muss Jürgen schon 2 mal 30 Minuten warten, da das System anscheinend nicht verfügbar ist. In der Zwischenzeit wird ein Drogenhund an die offenen Klappen und Türen geführt. Und irgendwann, irgendwann … erhält Jürgen die Papiere und wir können fahren. Irritiert sind wir nach Durchsicht der Unterlagen, da es keine Eintragung im Carnet gibt. Auch Nachfrage hätte alles seine Richtigkeit. Es bleibt spannend.