17 Stunden Überfahrt.
Ein Himmelreich für eine Camping-on-board-Passage. Stattdessen hänge ich mit meiner Deckspassage entweder bei einem 0,33-Bier für 4 EUR im Salon oder in den Pullmansitzen in der Lounge im Flutlicht. Die ersten Stunden gibt es freies WiFi. Danach auch wieder. Dazwischen nicht.
Die meisten haben es offensichtlich geschafft, irgendwie und überall zu schlafen. Nach der ersten Schicht WiFi wandere ich so lange durch das Schiff und übers Deck bis es schönen italienischen Kaffee an der Bar gibt. Ganz allein bin ich mit dem Mond und der Nacht, dem Wind und dem Meer. Dabei entdecke ich, dass dieser Pott sehr wohl ein Camping-on-board-Deck hat. Nur angeboten wird es auf dieser Strecke nicht. Im Frühstücksangebot findet sich leider nur Dolce. Der Herr vom Nachbarstisch schenkt mir seinen Apfel. Ich kann dankend nur müde lächeln. Marko wird mir später noch ein Cornetto schenken wollen. Um Dankbarkeit ernten zu wollen, sollte man mir frühestens morgen etwas schenken. Ich lehne müde ab.
Ich bin müde und mir ist langweilig. Dazu müsste man mal eine Eissorte kreieren. Glaubt einem ja keiner. Hinzu kommen noch die vor einem liegenden zahllosen Stunden. Unbeaufsichtigt vermehren sie sich per Zellteilung. Vermehren vermehren sie sich vermehren vermehren vermehren sie sie sich vermehren vermehren vermehren vermehren sie sie sie sich sich. SO WERDEN WIR NIE ANKOMMEN.
Am meisten Angst habe ich vor den schnellpromovierten Corona-Klugscheissern, dem Büro meiner Mutter, Regen, dem Fernseher und am noch meisten noch vor dem Gefrierschrank meiner Mutter. Und Weihnachten, Silvester und allem, was mir auch vorher schon so viel Freude bereitet hat.
Wir sind noch immer unterwegs, obwohl seit 19 + 17 + Verspätung = wir bereits hätten angekommen sein müssen. Müssten. Egal, auf der anderen Seite erwartet mich ja nur nach zwei Transits, Schnee in Südtirol und Corona-Negativ-Test in der Luitpoldanlage … der Lockdown.
Die Einfahrt in den Hafen von Ancona ist sehr beeindruckend. Kaum öffnen sich die Türen zum Frachtraum und schon schieben sich die Lkws Richtung Ausfahrt. Um so ausfahren zu können, mussten die Lkws entweder bei Einfahrt wenden oder bereits rückwärts rein. Egal wie, sehr eindrucksvoll. Ich möchte Lkw-Fahrer werden.
Mühsam fädeln wir uns mehrspurig durch das Einreisenadelöhr. Müde-langweilig schleife ich mich in der Wartespur aus dem Auto, um nochmals zu kontrollieren, ob ich auch wirklich die richtige Seite der Warntafel an dem Fahrradträger gehisst habe. Spanien und Italien erwarten jeweils unterschiedlich viele Streifen. Weil die EU-Vereinheitlichungskommission noch mit dem Krümmungsgrad der Gurke beschäftigt ist, muss ich nochmal raus um Streifen zu zählen! Und schon ist auch mein Hintermann, der Mann mit dem Apfel zur Stelle. Nochmal: um Dankbarkeit zu ernten, sollte man mir frühestens morgen etwas schenken. Könnte ich mich bedanken, könnte ich auch smalltalken. Himmel. Meine Güte, bin ich müde …
Den Officer von der Immigration interessiert nur mein Reisepass ohne auch nur einen Ton von mir. Keine Rede von Selbstauskunft oder Aufklärung über Transit. In Italien hat man häufig 36 Stunden Zeit, um das Land wieder zu verlassen. Österreich will im Transitfall, dass du den Tank voll und die körpereigene Blase leer hast, um die Alpenrepublik so schnell wieder zu verlassen, wie du reingekommen bist. Österreich wird sich später allerdings auch nicht dafür interessiert haben, woher ich kam, warum und wohin.
Ein paar Kilometer fahre ich noch parallel zur Küste bis nach Riccione/Rimini, hol mir einen schönen Kaffee in einer Bar, während ich auf mein Abendessen to go warte. Selbst Fastfood ist in Italien delizia culinaria.
Damit fahre ich noch an einen schönen Platz am Strand, an dem ich auch übernachten kann. Die Küste hat sich bereits gerüstet und einen grossen Wall aus Sand aufgestaut.
Am nächsten Morgen mache ich noch einen schönen langen Spaziergang am Meer und werfe tote Fische zurück ins Meer. Bevor es dann auf die Autostrada geht und in zwei Etappen rechtzeitig zu Allerheiligen nach Hause … was natürlich aufgrund der Seuche ausfällt.