Überhaupt war der Prozess nicht ganz einfach: man verdichtet eine schöngeistige 113 qm-Wohnung plus Hobbyraum, Keller, Beduinenzelt und ein inhaltsvolles Leben auf 12 qm Lager plus 10,8 qm Auto und das im Blindflug noch vor Anschaffung des Campers.
Wer hätte sich gedacht, dass ich mich jemals von meiner Wohnung und meinen Büchern trennen könnte!? Ich höre Bedenken darüber, mit einem soo grossen Auto zu fahren / als Frau / allein / ohne Partner / in entsprechenden Ländern / mit meiner körperlichen und psychischen Disposition / ohne Basis. Ja, das höre ich. Von Freunden, wie Fremden. Wie dem Passanten, kurz nach Passau im Hafen, der mich neugierig angesprochen hat, als ich gerade dabei war, mir meine erste Camper-Kaffeepause einzurichten, während seine Enkelin ungeduldig gerne weiterziehen wollte. Überhaupt werde ich viel angesprochen – als ginge ich mit einem Hundewelpen spazieren.
Ich weiss, was gemeint ist. Zugleich gibt es deutlich mehr Zuspruch und Vertrauen in meine Unternehmung von Menschen, die mich genauso kennen.
Bedenken teile ich nicht. Wenngleich man kein Feigling sein darf, alles hinter sich zu lassen. Aufgeben ist keine Option – man gewinnt einen gewaltigen Vorgarten – egal wohin die Reise geht.
Moldaustausee:
Nervig ist noch die Suche nach einem guten Nachtplatz. Nach Einbruch der Dunkelheit – mittlerweile schon deutlich vor 9 – muss man nehmen was kommt. So verfahre ich den ersten Abend bis zur Notlösung.
Umso glücklicher bin ich, als ich diesen See am Nachmittag des Folgetages entdecke. Ein Schwanenelternpaar mit zwei noch grauen Schwanenkindern dümpelt im See. Fette Karpfen schnappen an der Wasseroberfläche nach Insekten. Die Aussentemperatur ist deutlich unter 20 Grad. Es regnet. Dann wieder nicht. Dann wieder doch. Dann wieder nicht, dann doch. Wieder. Der Campingtisch darf in fünf Sprachen nicht nass werden, wirklich: Tafelblad niet watervast, na gebruik droog opbergen. Deutlich Gründe, es sich final im Innern des Campers einzurichten.
Mitten am dunklen Abend hat sich noch ein weiteres Camperfahrzeug auf den Grund vor dem See gesellt.
Am nächsten frühen Nachmittag rauschen sie mit ihren zahlreichen Länderaufklebern auf der Rückseite ihres Autos nach dem Frühstück ab. Ich tausche den Platz aus der sicheren Verschattung auf das offene Wiesengelände, nachdem die Batterie- und Campingwohlfühlwerte in den Keller rauschen. Scheint, als hätten sie auch den gleichen Solarregler – in meinem Bluetooth-Profil sehe ich doppelt.
Am nächsten Morgen, also heute, ist Sonntag. Es ist warm. Meine Schwester und meine Mom fahren zur Wiesn. Nach Fasching und Herbst eine meiner schlimmsten Jahreszeiten. Ich starte den Kompressor, pumpe das Board auf und ziehe meine Runden auf dem See vor mir. Ein Karpfen springt mir hungrig verfehlt direkt auf das Board.
Und, immer schön den Schwaneneltern aus dem Weg gehen … die Biester sind plötzlich überall und mit Brut nicht zu unterschätzen.
Himmel, sende mir gutes Wetter und vergiss die Kabeltrommel nicht.