03.11.2019 – Ich weiss noch gar nicht wie es weitergeht. Um 1500 etwa bin ich von meiner Führung in der Marienburg am nahen Parkplatz zurück.
In der Nacht war ein Kommen und Gehen vor meiner Windschutzscheibe. Als ich mich morgens zum Duschen einrichte, schreitet ein Mann, gekleidet in Militärkleidung mit einer neonfarbenen Sicherheitsweste gemütlich auf und ab. Ich habe mich sehr darauf verlassen, dass der Parkplatz am Wochenende frei wäre. Immer wieder interessiert er sich für mein Auto, so scheint es. Ich spreche ihn auch an, als ich mich aufmache. Nein, er wäre einfach nur hier – pantomimisch.
Das nächste Ziel war klar. Ich will zur Wolfsschanze, obwohl sie ja doch noch ganz schön weit im Osten Polens liegt. Aber es deckt sich eben auch mit meinem Wunsch, in die Masuren zu fahren. Deshalb will ich die Zeit bis zum Abend auch noch nutzen und Kilometer machen.
Die Wolfsschanze liegt bei Gierłoż/Görlitz. Weder das eine noch das andere kennt Navi I. Das ist hier in Polen leider kein Einzelfall. Dass es nicht jeden Kreisel kennt, ja, die schiessen schneller aus dem Boden als man updaten kann.
Dann nehme ich Kurs auf die Postleitzahl von Gierłoż 11-400. Wieder über Stock und Stein. Vor jeder oder nahezu jeder Einfahrt zu einer Ortschaft steht ein gemauertes Marterl, ein Kruzifix oder eine Marienstatue, meistens mit einem kleinen quadratischen Zaun aussenrum. Geschmückt sind sie gerade mit gespannten farbigen Schleifen ausgehend von der Spitze im Kreis. Ob das in Verbindung mit Allerheiligen steht!?
Im Radio – ohne Scheiss – Move in the right direction von Gossip. Für Spässe bin ich nun gerade nicht aufgelegt. Denn: die Route, die es mich fahren lassen wollte ist für 3,5-Tonner gesperrt – ich wieder raus aus der Abzweigung, dann geradeaus, dann spaltet sich die nächste Strasse innerhalb von 1 Kilometer in Sackgasse und – ich fahre: Pflasterstrasse, die das Navi aber nicht kennt und fährt mit seinem Pfeil wieder ins Leere.
Und hier stehe ich also nun für die Nacht. Kurz vor Pflasterende nach einem kleinen U-Turn. Einfach Motor aus, Handbremse – im Radio Blondie One way or another, nein war Cover – und Schluss für heute. Mir egal, selbst als die Policja patrouilliert. Heute gibt es Notfallessen. Instant-Kartoffel-Püree. Doppelt schmerzlich, da mir Gabi heute Morgen noch ein leckeres Kartoffelauflauf-Rezept für die Zubereitung im Omnia-Ofen geschickt hat und ich schon den ganzen Tag davon träume. Nicht, dass ich einen Omnia-Ofen besitzen würde.
Vorher wäre die Kiste – gefühlt – um ein Haar umgekippt. Ich glaube, es war knapp. Ich kenne diese Art von Gefühl. Mein Fehler: in der Dunkelheit habe ich beim unausgereiften Wendemanöver ein grösseres Loch übersehen und bin vorne links voll eingetaucht, während vorne rechts sich zu Höherem berufen sah. Du siehst ja wirklich gar NIXX. Selbst über die Rückfahrkammera ist es so dunkel wie im Innern einer Kuh.
Über Standortanfrage auf Google-Maps sehe ich, dass ich der Russland-Grenze (Kaliningrad) im Norden näher bin als Gierłoż. Auf der noch gut ausgebauten Strecke haben mich auch ein halbes Dutzend RUS-Autos grossmütig überholt, obwohl ich auch schon schneidig unterwegs war. Sie wissen es wohl besser. Ich weiss nur, wenn innerhalb einer Ortschaft ein Kontrola-Schild steht, dem auch eine Kontrola-Blitzstation folgt. In solchen Situationen halte ich die Luft an. Hilft nur nixx.
04.11.2019 – Morgens schaue ich mir erst mal an, wo ich gelandet bin. Die Wendestelle war der Friedhof. Komunalny habe ich gestern noch gelesen. Danach hört auch die Strasse auf.
Das Navi will mich natürlich in seiner selbstgefälligen Art genau wieder auf die Route schicken, die gestern schon nicht machbar war. Ich halte dagegen. An irgendeiner Stelle auf meiner Strasse gebe ich mich geschlagen und fahre den Navi-Vorschlag, um uns zusätzliche 16 Kilometer auf meiner Route zu ersparen. Die 5 Stunden Einzelheiten will ich uns ersparen. Nur soviel: dass ich da wieder rausgekommen bin, ist ein Wunder. In einem Areal von – ich sage mal 10-20 Quadratkilometer werden die Strassen ausgebaut – das wird auch an jeder Einfallsecke auf riesigen Schildern kommuniziert. Doch dazu braucht man Polnisch, Ortskenntnisse, Einsicht, Lösungen. Man kommt an verschiedenen Stellen nicht mehr durch. Ein Schäferhund meint, er müsste mich von der Seite anmachen. Arsch, gestern habe ich noch auf Schrittgeschwindigkeit gebremst mit Warnblinklicht für die nachfolgenden und entgegenkommenden Autos um so einen übermütigen Welpen zu retten. Die noch zu Verfügung stehenden “Strassen” vermatscht und versumpft. Ich grüsse immer fleissig nach links und rechts, wenn ich die Bauarbeiter und Anwohner sehe und später gleich nochmal wiedersehe. Nur der Herr Oberförster wollte nicht so recht.
Meinem Shell-Atlas und meiner Routine, jeden Abend meine Standortkoordinaten auf Garmin zu speichern, habe ich es zu verdanken, dass ich wieder feste Strasse unter den Rädern bekommen habe. Natürlich war kein Netz. Alles auf Anfang. Ist Olivia Newton-John gestorben? Bei 2 x Radio und 1x Nachrichten werde ich nach Karel Gott stutzig.
Ich weiche keinen Meter von der 512 ab. Und dann von meinem Interims-Ziel Olztyn. Ich prüfe jeden Streckenabschnitt und fahre nur noch die grossen Strassen, auch wenn es ewige Umwege sind.
Mein Auto hat sich das mit dem Defender aus dem Kopf geschlagen.
Nun bin ich in Rastenburg am Jezioro. Das müsste bereits in den Masuren sein – ich sehe nur noch Wasser. Von der Wolfsschanze bin ich noch 10 bis 20 Kilometer entfernt. Wenn ich mir vorstelle: gestern war ich knapp 80 Kilometer von der Wolfsschanze entfernt. Und nach 7 Stunden Fahrt heute …
Es sind herrliche 14 Grad Aussentemperatur.
Wenn es morgen mal nicht regnen könnte. Für mein Bild der Masuren bedarf es viel Sonne. Das (von mir gehasste) schräge Herbstlicht wäre bestimmt schmeichelhaft.
P.S. Der höchste Ausschlag auf meiner persönlichen Richterskala ist bisher, wenn es meine Nachtwäsche aus der Nachtwäsche-Abteilung fetzt.
Soundtrack: SOS, Abba; Stayin’ Alive, Bee Gees; The one that I want, Olivia Newton-John; Move in the right direction, Gossip; Cover Blondie, One way or another; Pink, Funhouse.