Im Auto hat es heute Morgen 3,4 Grad gemessen. Die Nacht in Moritzburg war zwar gefühlt kälter, aber ohne das Heizmanöver hätte heute Nacht ganz sicher der Sicherheitsmechanismus auch ausgelöst und das Wasser abgelassen.
Eben trinkt ein Fuchs aus der Wasserpfütze vor dem Auto. Trotz des wildromantischen Platzes ist hier eine Laterne. Es ist natürlich gleich schon dunkel, als ich diesen Platz hier finde. Ich stehe am Jezioro Sarbsko, einem See mit Nähe zur Ostsee und dem Rezerwat przyrody Mierzeja Sarbska um Łeba, in dem auch die Düne jährlich etwa 10 Meter wandert.
Von dem Nachtplatz gestern bis hierher sind es auf Landstrasse, einspuriger Kopfsteinplasterstrasse und ohne Autobahn um die 220 Kilometer. Schon kurz nach Start hat mich das Navi auf eine Kopfsteinpflasterstrasse geschickt. Puh. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich ja noch nicht, welche Strassen Polen sonst noch so für mich bereithalten würde …
Die Strassen gestern waren dagegen Kindergeburtstag im Dinoland, die sie hier übrigens auch gerne haben oder Labirynts oder Aquaparks mit Piratenspielplätzen. Ich brauch das alles garantiert so schnell nicht. Ich habe heute lange genug Wilde Maus gespielt. Am Anfang findet man das alles ja noch charmant. Doch … pffffffffffffffffffff.
Teilweise sind die Strassen seitlich so abschüssig, dass man das Gefühl hat, man würde runterfunzen. Der Mais steht noch auf den Feldern. Die Störche schon unterwegs in den Süden. Dann wieder sind die Spuren so ausgefahren, dass man Sorge hat, die Fahrbahnmitte könnte einem den Auspuff oder den Zutritt abfetzen. Dass die Aussenspiegel noch dran sind, kann ich noch immer nicht glauben. Dann sind die Strassen auch wieder so kaputt, dass man – wie auf Wellblechpiste – nur die Chance hat, die richtige Geschwindigkeit zu treffen, um drüberzufliegen. Im Radio läuft Rammstein. Dann gilt es noch, den Löchern geschmeidig auszuweichen, sonst reissts dir gleich mal die Achse raus. Dass alle Schränke im hinteren Bereich noch hängen, wundert mich dann nebenbei auch noch. Gegenverkehr. Und ja nicht blinzeln. Im Radio läuft Griechischer Wein-Cover auf Polnisch, wahrscheinlich. Sie covern gern. In Tschechien ist Karel Gott gerade gestorben. Von Udo Jürgens weiss ich, dass er schon länger tot ist. Ich war 2016 noch an seinem Grab in Wien. Und dann ja nicht ins tiefe Bankett, sonst zerreisst es dich final. … während die Polen in ihren kleinen Flitzern sich nur so spielen … Ich brauch wahrscheinlich noch 1000 Kilometer Polen dafür.
Mein Auto möchte Defender werden, wenn es mal gross ist.
Es gibt sogar Verkehrszeichen dafür. Es heisst Koleiny. Und zeigt ein Auto, das aus den Furchen abhebt. Es gibt auch ein rechteckiges Verkehrsschild, das vor Elchen warnt. Die kleineren dreieckigen Schilder warnen vor Hirschen. Haben wir hier Elche? Oder ist das noch ein Überbleibsel aus der schwedischen Vorherrschaft? Bei den meisten gibt es ein Anfangs- und ein Endschild – Koniec. Bei den Elchen nicht. Mein Lieblingsschild jedoch ist das mit dem Mädchen vor Zebrastreifen, das genausogut aus der Feder von Banksy stammen könnte.
Die Menschen hier sind heute ganz wuselig. ÜBERALL werden Chryzantemy verkauft – eigentlich schon mindestens, seitdem ich hier bin. Heute wird es klar. Chrysanthemen in allen Farben werden auf die Gräber gestellt. Sie ist hier die Königin der Blumen an Allerheiligen.
Bevor ich morgen mal die Düne suche, gehe ich noch zur Kirche, hier vorne um die Ecke. In Gedanken zuhause.
Koniec.