Morgens der Blick aus dem Fenster versöhnt mich fast (sofort).
Ich habe wirr geschlafen oder geträumt. Es gab Schreie in der Nacht und irgendwelche Tiergeräusche. Meine Quartz-Armbanduhr hat sich über Nacht auf den 02.01.2006 umgestellt. Es ist demnach Montag, 09:38. Ich bin mehrmals aufgewacht oder nicht. Ich wusste nicht mehr, wo ich bin. Und konnte mich auch nicht aus dieser Schleife befreien.
Eine Kerze brennt. Eine Katze lauert auf Beute. Ich bin gedanklich bei uns zuhause am Grab und bei allen unseren Lieblingen. Es ist Allerheiligen und nämlich Freitag. Ich mache noch einen kleinen Spaziergang am See. Das Licht ist schön. Direkt am Weg liegen die Reste eines frisch geschlagenen weissen Federviehs. Kormorane trocknen ihre aufgespannten Flügel in der Sonne. Ein Reiher dazwischen.
Am Friedhof in Łeba herrscht reges Treiben. Chrysanthemen-Verkäufer und Laternen-Verkäufer bieten die Waren für die, die in der letzten Minute noch aufrüsten wollen. Viele andere schleppen palettenweise die Laternen und tütenweise die Chrysanthemen zu ihren Gräbern. Besonders schlimm muss es sein für die Familie, die ihren Sohn an diesem 03. Oktober und mit nicht mal 40 Jahren verloren hat. Wobei es bei Trauer keine Wertigkeit gibt. Es macht es nur unverständlicher – je jünger.
Die Gräber werden noch geputzt, die Aussenfläche geharkt und gerecht, Pflanzen und Laternen drapiert. Alles passiert heute noch. (Meine Mutter hat unser Grab vergangene Woche für Allerheiligen bepflanzt.) Vor vielen Gräbern sind sogar kleine klappbare Bänkchen installiert, auf denen die Angehörigen oder Freunde sitzen. Ein bisschen erinnert mich das an Frida Kahlo, Mexiko, Día de los Muertos – da wäre ich auch gerne einmal dabei.
Der Hauptakt folgt erst am Nachmittag. Nach einer kleinen Andacht in der winzigen Kirche, mache ich mich auf zu den Dünen. Ich suche die Ruhe.
Die Adresse zum Düneneingang kennt mein Navi nicht, auch nicht Navi II. Deshalb gebe ich mich erst mal mit einem Strandabschnitt am Kurhaus zufrieden. Es heisst, es wäre der schönste Strand und der schönste Sand an der Ostsee. Mich haben sie alle bisher begeistert. Dann doch noch auf die Suche nach der Wanderdüne.
In der Nähe von Łeba befinden sich ausgedehnte Wanderdünen (Góry Białe), die in der Lontzkedüne, 9 Kilometer westlich von Leba auf einer schmalen Nehrung zwischen dem Lebasee und der Ostsee gelegen, eine Höhe von 42 m erreichen. Westlich vom Lebasee erheben sich die so genannten Kleinen Wollsäcke, mit bis zu 56 Metern Höhe die höchsten Dünen Hinterpommerns. Östlich vom Lebasee befinden sich die Großen Wollsäcke, bis zu 45 Meter hohe Dünen mit 23 Meter hoher Bake. Das Verhalten der pommerschen Wanderdünen war zwischen den beiden Weltkriegen von dem Greifswalder Geologen Wilhelm Hartnack untersucht worden. In den Dünen ließ General Erwin Rommel ab Mitte der 1930er Jahre deutsche Soldaten für den Afrikafeldzug üben.
Quelle: wikipedia.de
Den Parkplatz dazu finde ich nach einer plötzlichen Eingebung. Ich war dem gestern schon sehr nah. Doch aufgrund des Feiertages gibt es heute keinen Service. Normalerweise kann man mit einem e-Taxi die 2 x 5 Kilometer fahren. Wenn sie in dieser Geschwindigkeit weiterwandert, kann man sie bald vllt auch direkt von der anderen Seite anfahren. Ha, witzig, mein Feiertagshumor.
Relativ bequem nach Gdansk gefahren. Nur an einer Stelle, dachte ich ich ich ich …
Das Navi I lotst mich auf unbefestigte Strassen, eine unbefestigter als die andere. Das Navi selbst kann nicht mehr mithalten und findet den Weg selbst nicht mehr. Es fährt nur noch ein Pfeil im NICHTS. Als ich irgendwann im Nirgendwo eine halbe Wendemöglichkeit entdecke, wende ich und das Navi freut sich, als es irgendwann wieder festen Boden unter den Satelliten hat.
In Gdańsk war bei Einfahrt Ausnahmezustand. Hunderte von Autos geparkt überall auch auf dem grünen Mittelstreifen. Alles Menschen, die heute an den Gräbern waren.
Nun stehe ich irgendwo in der City für morgen. Der Sneak Peak durch die Stadt verspricht einen schönen Tag.