Ich übernachte im Flussbett des Lumi i Osumit. Tiranë liegt nun seit Tagen schon hinter mir nach Besuchen in Berat und den 1000 Fenstern und Kuçovë mit den 1000 (nein, ich weiss nicht wie vielen) Öltürmen. Verrückt, die Öltürme mit den Pferdekopfpumpen stehen überall. In Vorgärten, im Bazaar, am Restaurant.
Berat – Stadt der 1000 Fenster:
Kuçovë – Markt und Ölbohrungen:
Ich könnte mir vorstellen, dass es entweder während der Verstaatlichung oder später als Beteiligungsprojekt installiert wurden. Dazu müsste man lesen. Wahrscheinlich eher 1. Heute sieht man unter den Pumpen deutlich die Ölpfützen. Von dem im Reiseführer versprochenen Gestank spüre ich nichts. Kuçovë ist für mich allerdings eher ein Zufallstreffer. Die Ölfelder habe ich in Ballsh vermutet und sind erst später in meinem Reiseverlauf geplant.
In meiner ganzen Entzückung fahre ich nicht mehr nach Anweisung, sondern versuche, einen Platz zu finden, an dem ich fotografieren kann und so stolpere ich über den Bazar. Ich parke fussläufig am Busterminal und bin erneut bereit, Geld auszugeben. Ich werde fündig. Hatte schon die Befürchtung, ich müsste dafür zurück nach Durrës. Während ja die Fähre hier auch losgeht. In einer Woche.
Das Schöne an meiner Situation ist, dass ich nichts mehr brauche. Damit meine ich für mich persönlich. Für das Auto gibt es natürlich schon wieder eine Liste an Dingen, die ich zuhause organisieren muss.
Kaum bin ich aus dem Flussbett raus, bremst mich eine Ziegen-Gang aus. Ich halte kurz, entdecke den Ziegenhirten mit seinem Freund, winke, zurück. Meine Route umfährt sie noch einmal und er winkt nochmal. Danach, springt ein Mann freudig hoch – mit einem Stock in der Hand und beiden Armen ausgebreitet, noch bevor ich winken kann.
Die Strecke heute ist wieder anstrengend. Mit Vollgas treibe ich die 3,5 Tonnen bergauf in die Beschleunigung. Und schon springt mir ein Tramper vor den Kühlergrill. Ich halte. Er reisst an der Beifahrertür. Für die Kommunikation über das Beifahrerfenster ist er zu klein. Ich öffne die Zentralverriegelung, um ihn sich non-verbal von der Beifahrersituation selbst überzeugen zu lassen. Danach reisst er an der hinteren Schiebetüre und schwupps ist er auch schon klimpernd im Innenraum. Den Schwung zum Schliessen bringt er allerdings nicht auf und so steige ich noch einmal aus, um das selbst zu übernehmen.
Ich erhasche einen Blick auf seine Fracht in einer der dünnen Tüten, die man hier für alles bekommt. Er scheint, Metallteile versammelt zu haben. Ich sitze wieder und er dirigiert mich, endlich loszufahren. Vor einem gewaltigen Strassenschaden erhalte ich ebenso stimmgewaltige Anweisungen. Was für ein Schreck. Wir fahren noch eine Weile, da wird es von hinten wieder laut. Diesmal halte ich an, da ich den Grund nicht erkennen kann. Sind wir etwa am Ziel. Nein, mein kleiner Freund will doch weiter. Mir wurde schnell klar, dass er sich nicht artikulieren kann. Hätte uns ja auch nicht weitergebracht. Diese Form des Ausdrucks versteht man vllt sogar besser. Er hat eine Sprachstörung. Und damit nicht genug, er dürfte auch geistig behindert sein. Was mich persönlich immer sehr berührt und gleichzeitig glücklich macht, wenn geistig behinderte Menschen sichtbar und damit Teil der Gesellschaft sind.
Auf der Weide über unserer Strasse steht ein Hirte und scheint wenig überrascht. Ich rede mit ihm und führe ihm meinen neuen Freund vor. Der Hirte meint, ich solle ihn bei ihm lassen. Mein neuer Freund hat ein blaues Feuerzeug im Auto entdeckt und bittet mich danach. Geschenkt, mein Freund.
Als ich meinen kleinen neuen Freund gut aufgehoben weiss, fahre ich weiter. Hinten aus dem Wohnbereich klimpern Geräusche zu mir. Als ich überprüfe, finde ich ein kleines Rohrstück, das ihm wohl aus der Tüte gerutscht ist …
Ich bin so gerührt von den Menschen in Albanien.