Mir ist ja allgemein nicht so freudig beim Sandschaufeln, gestern allerdings war es sehr lustig. Den Grenzübertritt Emirates – Saudi haben wir mehr oder weniger im Drive Thru-Verfahren schnell hinter uns bringen können. Lediglich der Scan bei den Saudis hat uns noch ganz schön aufgehalten. Danach sind wir noch etwa 150 Kilometer Richtung Riyadh gefahren. Wir stellen uns neben dem Highway für die Übernachtung ab. Wollen dann noch etwas weiter abseits. Und schon haben wir uns festgefahren. Als wir so fleißig am Schaufeln sind, hält bei uns der leicht verrückte und hyperaktive Saudi-Bedu Saud in seinem weißen Hillux. Er bedeutet uns, dass es kein Problem wäre herauszukommen, wenn wir Luft abließen. Er hat so was wirr Funkelndes in seinen Augen. Und schon ist er an den Ventilen. Als alle 4 Reifen abgelassen sind, sitzt er auch schon in der Fahrerkabine des MAN. Jürgen muss ihm noch zeigen, wie man die Wegfahrsperre löst. Er startet den Motor und wiegt mit Gas und Kupplung mal im Vorwärtsgang, mal im Rückwärtsgang. Am Ende schaukelt er den MAN so stark auf, dass er sich fast von selbst herausfährt. Er ist sehr glücklich darüber, uns mal zu zeigen wie sowas geht, denke ich. Danach springt er in sein Auto und bedeutet uns, mitzufahren. Und schon geht es ab in die Dünen. Er möchte für uns einen schönen Platz finden, an dem die Autos nicht so lautstark an einem vorbeirauschen. An mehreren Plätzen steigt er aus und breitet seine Arme aus, als hätte er das gelobte Land gefunden. Als er von einem Platz anscheinend wirklich überzeugt ist, springt er aus dem Auto, breitet erneut seine Arme aus und sprintet wie ein Kobold in die eine Richtung über die Dünen los. Jürgen hinter ihm her. Und schon taucht er von der anderen Seite mit dem MAN auf. Nun hat auch er sich festgefahren. Er springt aus seiner Dishdasha und steht in seinen Unterkleidern da und es wird wieder geschaufelt. Ab und zu hört man ihn jubeln. Und wieder übernimmt er den Fahrersitz und schaukelt das Fahrzeug so stark auf, dass es sich aus der Mulde schiebt. Er fährt jetzt zu seinem auserkorenen Platz und wir mit dem Hillux hinterher. Danach bekleidet er sich wieder, wäscht sich ausgiebig die Arme und betet singend. Im Anschluss holt er eine Kiste Datteln und einen Kanister frisch gemolkener Kamelmilch aus dem Auto und lädt zu einer gemeinsamen Pause ein. Ich hätte mir Kamelmilch fetter vorgestellt. Irgendwann entdeckt er die Sandbleche auf der Rückseite des MAN, geht auf sie zu, deutet darauf und belächelt sie zynisch. Als ich mich nicht recht anstelle, die Datteln geschenkt zu bekommen, will er sie mir über den Kopf ziehen. Er filmt das Innere unserer Wohnkabine, tauscht WhatsApp mit Jürgen und wir lassen wieder Luft in seine Reifen, die er in den Dünen abgelassen hat. Am Ende lädt er uns noch zu sich nach Hause in der Nähe von Riyadh ein und schenkt Jürgen sein Klappmesser. Noch einmal fährt er mit uns im Auto die Strecke, die wir morgen rausfahren sollen. Wir sollten im Freien übernachten, es gäbe auch keine Raubtiere. Und schon ist er davon wie er gekommen ist.
Von der nach Riyadh führenden Straße machen wir noch einen kleinen Schwenker nach Norden. Etwa 15 Kilometer von der Straße entfernt liegt ein in dem frühen 20. Jahrhundert erbautes Fort. Der Weg dorthin führt über eine geschobene Piste mit einer steilen Auffahrt durch eine steile Felsschneise, durch die der MAN gerade noch durchgeht. Wie wir wissen, wurde das Fort schon mehrfach auch durch Vandalen zerstört und wieder aufwändig restauriert. Es sollte wohl durch einen Zaun geschützt werden, der heute allerdings nicht mehr seinen Zweck erfüllt. Das Fort wurde aufgegeben und trotzt noch etwas vor sich hin. Es ist ein lost place. Nach einer Nacht in der windigen Nachbarschaft nehmen wir wieder Kurs auf Riyadh.
Wir erreichen Riyadh. Zuerst fahren wir bei dem MAN Service vorbei. Eventuell bekommen wir ja die Ersatzteile, auf die wir in Muscat 14 Tage warten hätten müssen, in der Hauptstadt des saudischen Königreiches. Wir brauchen 4 neue Buchsen für Blattfedern mit Einbau. Und tatsächlich sind die Teile in Jeddah auf Lager. Sie würden am Sonntag hier eintreffen können. Heute ist Donnerstag. Wir bestellen. Danach fahren wir alle verfügbaren Fotoläden ab, wir brauchen noch dies und das und würden uns gerne intelligente Fototaschen kaufen. Nichts aufzutreiben. Von A nach B ist man schon mächtig unterwegs in der knapp 7-Millionen-Stadt. Der Verkehr ist nicht unerheblich. Danach stellen wir uns für die nächsten Tage an den King Fahad Library Park unweit des Kingdom Towers, dem Wahrzeichen von Riyadh mit 302 Metern. Markant ist auch der Al Faisaliah Tower als erster Wolkenkratzer des Königreichs mit 267 Metern Höhe.
Am Park ist die Hölle los. Etliche Verleiher bieten die unterschiedlichsten fahrbaren Untersätze für Kinder an. Alle motorisiert. Am witzigsten finde ich die Dreiräder mit flexibler Hinterachse, was ein Trudeln ermöglicht. Sie sind auch noch erstaunlich schnell, wie alle fahrbaren Untersätze hier. Alles blinkt und leuchtet. Kinder können aus einer Vielzahl an Fahrzeugen wählen. Auch gibt es motorisierte Tuk-Tuks, die vor allem bei Familien beliebt sind. Der King Fahad Library Park bietet sich für diesen Familienausflug geradezu an: in der Mitte ist eine rechteckige Rasenfläche, auf der man schön Picknicken kann, während die Kinder auf der erhöhten Promenade ringsum mit ihrem Spielzeug tollen können. Der Spaß geht die ganze Nacht. Die Verleiher verlassen erst gegen 0300 Uhr morgens das Gelände mit ihren Gespannen. Wenn das Picknick-Areal verlassen ist, verbleibt eine Lawine an Abfall auf der Grünfläche, obwohl alle paar Meter Abfalltonnen stehen. Morgens kommt ein Trupp Pakistanis und reinigt gründlich. Am nächsten Nachmittag geht es dann wieder von vorne los.
Wir unternehmen einen Ausflug in das in einem Vorort gelegene Diriyah. Es ist die einstige Königsstadt, dem Land der Könige und Helden. Wie man es für Saudi-Arabien vermutet, ist das angegliederte Ausgehviertel Bujairi mit Cafés und Restaurants perfekt angelegt, ebenso wie die historische Lehmbautenstadt Diriyah, deretwegen wir eigentlich gekommen sind. Sie wurde perfekt restauriert und perfekt angelegt mit Wegen, Plattformen, Museum, Beleuchtung. Perfekt, eben. Ein bisschen zu perfekt für meinen Geschmack. Etwas mehr Ursprünglichkeit würde der Lokation nicht schaden. Der Besucher darf sich das auch etwas kosten lassen. Ab 1600 Uhr zahlt man zwischen 25-50 Euro Eintritt, die man in den Lokalen verkosten kann. Nach Besichtigung der Ruinen genießen wir in einem netten Lokal eine Pause. Der Blaubeer-Mojito, alkoholfrei versteht sich, wird in einem kleinen Plastikbecher serviert und kostet 9 Euro. Ein Stück Käsekuchen kostet 15 Euro. Die Kugel Eis 4 Euro. Nun sehe ich die Preise in der Heimat mit anderen Augen. Im Anschluss fahren wir in die Stadt zurück und bummeln noch etwas in der Al Nakheel Mall.
Nun stehen wir vereinbarungsgemäß bei MAN auf dem Parkplatz. Es ist Sonntag. Heute sollten die Ersatzteile kommen. Sind sie aber nicht – „maybe tomorrow“. Ich hoffe, es klappt dann spätestens morgen. Wir wollen ja auch noch weiter. Geplant wäre mit Monika und Christian zusammen eine kleine Wüstentour östlich.
Heute, Montag, die Ersatzteile sind da. Und schon darf der Truck in die Werkstatt. Es läuft ein bisschen zäh. Zuerst fehlt entsprechendes Werkzeug, die Buchse lässt sich nicht lösen. Und gebetet werden muss ja auch noch zwischendrin. Mal schauen … jetzt schaltet sich Jürgen ein … Kaum in seinem Blaumann, ist die Schicht beendet. Morgen ab 0800 Uhr soll es wieder weitergehen.
Nur 2 von 4 Buchsen müssen gewechselt werden, so sind sie heute nach 3 Stunden fertig und wir fahren ab zur Dahna-Wüste, die noch etwa 100 Kilometer außerhalb liegt.