Nach unserem Marokko-Aufenthalt haben wir das Reisemobil innen nahezu vollständig zerlegt. So steht es nun frisch gereinigt, Kühlschrank entrostet und mit neuen Gadgets ausgestattet auf dem Hof. Auch außen haben wir ihn aufwändig gereinigt. Strahlend weiß wie neu. Zudem sind wir einige Baustellen angegangen, die man erst auf den zweiten Blick erahnt. Kleine Rostflecken an der Kabine, Regenrinne Dichtung und Rost, Rost an der Oberlichte der Kabine. Jürgen hat ein neues Regalsystem und eine neue Ordnung in den Klappen installiert. Der Wohnbereich ist um ein hohes Regal über dem Tisch erweitert worden. Aktuell reißen wir gerade die hintere Einrichtung der Doppelkabine ein, um mehr Stauraum und Platz für eine zusätzliche Kühlbox zu schaffen. Ein neues Navi wollen wir uns auch noch für Saudi-Arabien anschaffen.
Den anstrengendsten Part in der ganzen Zeit haben wir hoffentlich nun hinter uns. Womöglich wird es nochmal aufregend. Eines schönes morgens stand der Bummer, wie er auch heißt, mit einem Platten hinten rechts im Hof. Von einem Tag auf den anderen. Das Reifenwechseln zu zweit ohne Hilfsgerät lässt uns fast verzweifeln. Der Reifen lässt sich selbst unter großem Kraftaufwand nicht von der Felge lösen. Mit einigen Kniffs und einem Freund schaffen wir es irgendwann. Das Loch ist schnell gefunden und geflickt. Doch nun muss der Schlauch mit Manschette wieder zwischen Felge und Reifen, was ebenfalls mit viel Geschiss einhergeht. Im Gelände hätten wir das nie geschafft. Nach dieser Erfahrung will Jürgen auf Nummer sicher gehen und auf schlauchlose Felgen umstellen. Die Karkassen sind bereits schlauchlosfähig, obwohl sie nur mit Schläuchen im Einsatz waren. Wir erhoffen uns eine Erleichterung und damit erkaufen wir uns eine gewisse Sicherheit für den Fall einer Reifenpanne. Die neuen Felgen sind schon bald auf dem Hof und nun beginnt das ganze Spiel von vorne rundum. Als uns nochmals schmerzlich klar wird, dass wir die Reifen nicht von den Felgen lösen können, kommen wir zu meiner Entspannung endlich an den Punkt, dass wir professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. So fahren wir Reifen um Reifen zu Reifen Wagner und überlassen die Mühe der Maschine. Selbst hier fühlt man die Kraft, mit der sich der Reifen gelöst werden muss. Neue Felge in die Karkassen zu bringen, war relativ einfach, nachdem wir die falsch gelieferte Dichtung identifiziert und gegen O-Ringe ausgetauscht haben. Das Montieren ist noch ein kleiner Kraftaufwand, doch auch zu zweit realisierbar.
Grund zur Entspannung bleibt allerdings nicht. Jürgen hat sich nach einigen Überlegungen schlussendlich doch dazu entschieden, sich neue Reifen anzuschaffen, nachdem damit zu rechnen ist, dass die alten Reifen der nächsten Herausforderung nicht standhalten werden. Wir rechnen für unsere Reise nach und in Saudi-Arabien mit etwa 30.000 zu fahrenden Kilometern. Kilometer über eine Fähre, beispielsweise Venedig-Igumentisa, können wir uns auch nicht sparen, da wir außerhalb unserer Route über Istanbul weitere 1.000 Kilometer zurücklegen müssten. Mittlerweile sind auch die neuen Reifen geliefert und ich betrachte mit Respekt das neue Unterfangen, die Reifen erneut – allerdings mit Schlauchlosfelgen – zu tauschen.
Vor ein paar Tagen haben wir das Iran-Visum beantragt. Damit steht und fällt die Reiseroute beziehungsweise die Durchführbarkeit der Reise. Wir haben uns lange Zeit mit der aktuellen Situation im Iran und alternativen Routen beschäftigt. Die Route über Griechenland-Israel mit Frachtschiff, wir per Flug und weiter über Jordanien nach Saudi-Arabien auf Achse hat uns noch nie so richtig begeistern können. Hinzu kommt auch der relativ hohe Preis für die Fracht. Das Nadelöhr der Route über Türkei-Iran-Irak-Kuwait-Saudi Arabien(-Oman) und zurück über den Irak stellt der Iran dar. Jürgen hat alle seine Bekannten und Freunde im Iran angesprochen bezüglich einer Reise. Von nahezu allen Kontakten haben wir extrem warnende Hinweise erhalten. Zu angespannt ist die Lage im Iran. Wie man auch in der Presse verfolgen kann, läuft man Gefahr unter Spionageverdacht verhaftet zu werden. Dafür reicht schon eine mitgebrachte Fotoausrüstung aus. Jürgen hätte Sorgen um seine Ausrüstung – ich möchte mich nicht dieser Willkür bis hin zum Gefängnis ausgesetzt sehen. Für Doppelstaatler erhöht sich die Gefahr auf ein Vielfaches. Damit wäre die Reise für uns gestorben. Momentan ist es iranischen Frauen wieder erlaubt, an Sportveranstaltungen teilzunehmen. Nach all den Unruhen wird die Regierung des Irans noch mehrmals versuchen, sich neu zu stabilisieren. Nun sind wir doch zu der Entscheidung gelangt, es über den Iran versuchen zu wollen. Es bleibt abzuwarten. ob uns die Visa erteilt werden.
Saudi-Arabien hat sich in den vergangenen Jahren einem Wandel unterzogen, der es nun für uns einfach macht, sich in dem Land als Tourist frei aufzuhalten. Angefangen beim Visum für 90 Tage mit einer Gültigkeit von 1 Jahr und Multi-Entry, bis hin zu den gemäßigteren Vorschriften für Frauen, wie Führerschein, selbst die Kopftuchpflicht ist abgeschafft worden. Musik und Konzerte sind erlaubt. Bei manchen Dingen herrscht sogar noch Unsicherheit bei Einheimischen trotz Aufhebung der Verbote. Lediglich beim Alkohol müssen wir uns anpassen: der Konsum und das Einführen von Alkohol ist strikt verboten. Bei all dem Ausblick auf ein atemberaubendes Land darf man bei aller touristischen Freiheit natürlich nicht vergessen, dass Saudi-Arabien auf der Welt heute noch als Land mit einer der höchsten Hinrichtungsraten gilt.
Die Öffnung des Landes hätte ich mir im Leben nicht vorstellen können. 2005 am South Beach in Jordanien unweit der saudi-arabischen Grenze dachte ich noch bei mir, wie gerne ich wohl auch die Stätten der Nabatäer auf der saudi-arabischen Seite sehen hätte wollen. Zu dieser Zeit war daran gar nicht zu denken, schon gar nicht als allein reisende Frau. Ich hoffe, unsere Route führt uns auch dorthin.
Anfang Oktober 2023 soll unser neues Abenteuer beginnen. Anfang November treffen wir uns mit Gabi und Stefan, unseren Mitreisenden, am Van-See im Osten der Türkei kurz vor der iranischen Grenze. Die Anreise legt jedes Team bis dahin individuell zurück. Ich bin sehr gespannt, wie viele Reisende wir treffen werden. In der hiesigen Offroad-Szene hat man sich so ein bisschen auf Saudi-Arabien eingeschossen, nachdem einem an Wüstenstaaten nicht mehr viel geblieben ist. Das hört man auch oft von Marokko-Reisenden.
Es ist noch einiges zu tun. Das Auto wird nun noch technisch gewartet, wie Ölwechsel, Bremsen, Getriebeöl, Filter tauschen, … mal sehen, was sonst noch so ansteht. Stoßdämpfer haben wir schon getauscht.
Noch zwei Monate …
10.09.2023: Noch ein Monat bis Abfahrt.
In der Zwischenzeit haben wir fleißig und konsequent unser Ziel weiterverfolgt. Auch, wenn uns einerseits das schlechte Wetter ausgebremst hat und andererseits Jürgen einen großen Internet-Auftrag abzuarbeiten hat, für den er meistens von früh bis nachts im Büro ist. Es soll ja schließlich bis zu unserer Abfahrt abgeschlossen sein.
Die Iran-Visa liegen uns mittlerweile vor. Die Saudi-Visa sind beantragt und dürften in den nächsten Tagen bei uns eintreffen. Die restlichen Visa werden entweder direkt an der Grenze gestellt (Irak) oder von unterwegs aus beantragt, wenn die Gültigkeit bis Einreise nur 30 Tage beträgt, wie im Fall von Kuwait und Oman. Das Carnet des Passages liegt uns mittlerweile vom ADAC vor. Dazu war es nötig, vorher ein Wertgutachten des Fahrzeuges erstellen zu lassen, was für uns neu ist. Früher konnte man seinen eigenen Schätzwert eintragen.
In einer Abteilung für Übergrößen habe ich mich eingedeckt mit bodenlangen Kleidern und Kopftüchern, die mich bei meinen Aufenthalten im Iran und Irak bis zu meiner schieren Unkenntlichkeit verhüllen werden. Ich treibe es auf die Spitze. Gabi hat auch schon geshoppt. Unsere Männer müssen sich gar nicht besonders neu orientieren, außer, dass sie in der Öffentlichkeit keine kurzen Hosen tragen sollten. Dazu bedarf es zumindest bei Jürgen keiner Neuanschaffung.
Wir haben uns das Navigationsgerät Garmin Tread Overlander XL genauer angesehen und auf Herz und Nieren getestet. Auf den ersten Blick erscheint es wertig und dem Preis von ca. EUR 1.400,- gerecht. Das Routing mit dem Lieferumfang funktioniert einwandfrei. Die Darstellung ist gut. Insgesamt empfiehlt Garmin den Einsatz von bis zu 4 Apps, die nicht alle zielführend sind. Bei Import meiner zirka 100 gesammelten Waypoints verändern sich die Symbole zu meinem Leidwesen. Will man mit weiteren Karten navigieren, wie in unserem Fall, dem Nahen Osten und Orient, bietet Garmin nur eine bedingte Auswahl an Karten, die unseren Ansprüchen – sollte man eine finden – nur bedingt – entspricht. Wir haben uns in Karten außerhalb des Portfolios von Garmin umgesehen und brauchbare Karten mit Geländeinformationen gefunden. Importiert man die Karten, die arabische Schrift enthält, erhält man auf dem Gerät verhuxelte Beschriftungen. Nicht brauchbar! Nach Anruf bei der Hotline erhielt ich die Auskunft, dass nur eine Garantie für Garmin-eigene Karten besteht. Meines Erachtens ist dies bei dem Angebot von Garmin nicht zielführend gedacht für den Einsatz dieses Premium-Gerätes und fällt damit bei uns durch. Kein Workaround. Selbst wenn man von der mehr als unlogischen Menüführung absieht. Und auch beim Tracking verstärkte sich unsere Befürchtung, dass man die Intervalle nicht selbst bestimmen kann. Enttäuschend. Eine Alternative sehen wir aktuell nicht und so werden wir mit dem nahezu kostenfreien mapout navigieren, was auch offline und mit guten, jedoch etwas veralteten Karten, funktioniert.
Bleibt nur zu hoffen, dass ich diesmal die Navigations- und Routingherausforderungen zur vollen Zufriedenheit erfülle, was mir in Marokko leider nicht uneingeschränkt gelungen ist. Im Gelände sieht das eben leider etwas anders aus, wenn wir Tracks folgen, die sich urplötzlich in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Selbst 2 unterschiedliche Tracks an einer Scherung können schon in einem Desaster enden. In diesen Situationen würde mich Jürgen am Liebsten fressen, was ich nur allzu gut verstehen kann. Diesmal soll es besser laufen.
Auch die Kühlbox ist mittlerweile eingebaut. Anfangs war uns die Größe der Dometic CFF 70DZ noch zu gewaltig, weil sie doch quer die Tiefe des hinteren Bereiches einnimmt. Letztendlich überzeugte uns aber der Umstand, dass die 70 Liter in zwei voneinander unterschiedlich gesteuerten Abteilungen betrieben werden können. So können wir in der einen Hälfte Kühlgut, wie Gemüse oder Getränke aufbewahren und auf der anderen Seite Gefriergut. Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass die Kapazität unseres vorhandenen Kühlschrankes für unsere Bedürfnisse doch sehr beschränkt ist.
Bei der Gelegenheit hat Jürgen auch gleich noch den B2B(-Booster) eingebaut, der nun seinen Platz in der Nähe gefunden hat. Mittlerweile war es mehrmals nötig, sich mit der Autoelektrik auseinander zu setzen, nicht nur wegen der Kühlbox und dem Booster, auch sollte das Auto auf einen Van vorbereitet sein und ein Kontrollgerät für die Reifendrucksensoren.
Eines meiner Lieblingsthemen: in Zukunft werden wir an der Außendusche warm duschen können. Das verbaute System hat noch nie funktioniert. Nun wird es möglich: ein neuer Kessel mit zusätzlichem elektrischen Heizstab wird uns das neue Erlebnis bereiten. Nachdem wir die Heizung während des Sommers im Haus abgestellt haben, dusche ich nun auch im Garten am Auto.
Die Reifen sind auch auf Neu gewechselt. Der zusätzliche Dieseltank ist befestigt. Auf das Dach kommen noch Reservekanister. So können wir nun 300+70+4*25 Liter mit uns führen. Verlockend bei einem Dieselpreis von zirka 1 Cent im Iran. Nun wird er noch MAN vorgeführt. Der Edelstahl der Reling wird noch von Flugrost befreit und auf Hochglanz poliert und ansonsten haben wir’s hoffentlich geschafft, die Liste abzuarbeiten und können uns dem Feinschliff unserer Reise widmen.