Gegen Mittag erreichen wir Kabul. Der Verkehr in der Hauptstadt ist nicht recht viel anders als in Herat und Kandahar. Mal ist der Verkehr durchgängig, manchmal kollabiert er. Die Tuk-Tuks sind anscheinend eine Ausnahmeerscheinung in Herat. Hier sieht man kein einziges, ebenso wie in Kandahar. Nachdem wir noch keinen Plan haben, wo wir übernachten können, erhoffen wir uns, jemanden kennenzulernen, der uns weiterhelfen kann. Die Spezialität an dem Verkehrsnetz in Kabul ist, dass einige, wahrscheinlich viele Hauptverkehrsstraßen, mit Höhenbegrenzungsschranken von 2,50 Meter ausgestattet sind. Für die Navigation ist das extrem nervig – für den Fahrer schon mal die Hölle, wenn man sich entgegen der Einbahnstraße wieder zurückhangeln muss.
In Kabul ist das Straßenbild noch einmal deutlich anders als in den Orten zuvor. Hier findet man unter den Bewohnern jede Menge unterschiedliche Stile. Hin und wieder sieht man nun den Pakol, die typische Afghanen-Mütze. Trotzdem ist etwa die Hälfte der Männer OHNE Kopfbedeckung. Gleiches gilt für die Kleidung. Perahan Tunban zu westlicher Kleidung ist etwa ebenfalls halb-halb. Bei den Damen findet sich auch einiges: Manche Frauen tragen die saudi-arabische Version, manche tragen nur Kopftuch, Dschador oder westliche Mäntel, es ist sehr gemischt. Burkaträgerinnen gibt es längst nicht so viele, wie die Taliban sich es wünschen würden. Trägt man keine Burka wird man von einer Art Sittenwächter darauf angesprochen und es wird einem der Vorteil erklärt. Verhaftet wird man dafür nicht.
Nachdem wir so durch die Stadt fahren, auf der Suche nach einem Restaurant, kommen wir dem Ministerium für Information und Kultur nahe. Ich beschließe, doch gleich das Permit zu besorgen, das man für die Sehenswürdigkeiten braucht. Die Einfahrt in die Straße ist übermäßig gesichert, doch wir dürfen passieren. Hier sind einige Ministerien angesiedelt, wie zum Beispiel das Wirtschaftsministerium. Ich werde bei den Wachen vorstellig und nach einiger “Bedenkzeit” bei dem Posten, steht mir auch ein Herr zur Seite, der mich in dem Gebäude im 2. Obergeschoss ins Büro für touristische Belange bringt. Zuerst ist ein Formular mit Eckdaten auszufüllen und man darf sich seine Provinzen im ganzen Land aussuchen. Ich habe gleich alle Provinzen beantragt. Das Büro ist sehr ordentlich, PC mit Multifunktionsdrucker, die Ordner schön einheitlich beschriftet, ein Afghanistan-Bildband liegt auf dem Besuchertisch, alles vorbildlich. Ein älterer Mitarbeiter bietet Petra und mir Tee mit Süßigkeiten an. Afghanistan hat keine ausgeprägte Teekultur, wie man es aus anderen Ländern des Orient kennt. Wir bekommen grünen Tee, der mangels nationalem Anbaugebiet aus Indonesien kommt. Bei einem Besucher, der selbst in das Tourismusgeschäft einsteigen will und einigermaßen Englisch spricht, werde ich meine Frage wo man über Nacht parken könnte los. Wir könnten überall parken – es wäre sicher. Ich erwidere, wir wären gerne etwas lärmgeschützt. Er überlegt und nennt Darul Aman. Auf Nachfrage hören wir auch, dass der Salang-Pass wohl aufgrund des Schnees gesperrt wäre. Das wäre natürlich besonders schade, da dadurch der Weg nach Mazar Sharif versperrt wäre. Es dauert eine kleine Ewigkeit, doch dann halte ich das geschätzte Stück Papier in Händen.
Darul Aman liegt an der südwestlichen Stadtgrenze. Ein Durchkommen ist schwierig, weil man immer wieder an den Höhenbegrenzungen scheitert. Wir finden ein Restaurant und essen ausgezeichnet, relativ günstig ist es noch dazu. Jürgen ist längst schon wieder auf der Straße, um in Kontakt mit Menschen zu kommen, die hilfreich sein könnten. Was auch gelingt. Nazir sitzt bei Theo und Petra und lotst sie Richtung Qal ah-ye Biland, einem Schloss, das mitten in einer größeren Fläche steht. Vielleicht kann man da Parken, so Petra. Als uns wieder droht, von einer Höhenbeschränkung ausgehebelt zu werden, springt Nazir aus dem Auto und öffnet die Schranke für uns. Aha. An einer Stelle halten wir und er springt erneut aus dem Auto. Er hat in einem Hinterhof gefragt, ob wir denn dort die nächsten Tage stehen dürften. Nachdem wir uns auf einen Preis einigen konnten – die Hälfte die sie ursprünglich verlangten 1.000 AFS (15 €) – verbringen wir unsere Abende und Nächte in diesem Hinterhof mit ausrangierten Mopeds mehrerer Werkstätten. Es hat sich auch schon in der kurzen Zeit für uns bewährt: aufgrund des Schnees konnte unser PV-Anlage heute kein einziges Watt machen. Für diesen Zweck haben wir uns in Teheran den Generator gekauft. Erstmalig soll er eingesetzt werden. Jürgen füllt Öl und Benzin und hat auch einen Arbeiter gleich neben sich, der genau die Handgriffe kennt. Als dieses Mistding nicht startet, überprüft er das Gerät und findet den Fehler. Ohne ihn würden wir jetzt im Kalten sitzen (in der Wohnkabine hat es 11 Grad), hätten kein Internet und könnten die Bilder nicht bearbeiten.
In Kabul regnet es ganz schrecklich. Die Vorhersage ist auch nicht besonders. Für morgen haben wir uns mit Nazir verabredet, der uns seine Stadt zeigen soll, nachdem er im zweiten Anlauf unseren Preis akzeptiert hat. Nazir ist Afghane, geboren in Pakistan. Seine Eltern sind geflohen. Er hat mit Abschluss studiert und hat einen Shop für Druck.