Heute Morgen ist Azir fast pünktlich bei uns. Über Nacht hat es geschneit. Es regnet und schneit nun nicht mehr. Azir fährt uns auf den 50 Meter höher gelegenen Bibi Mahro Hill. Einige Bäume sind von der Schneelast umgefallen. Man ist gerade dabei, sie zu beseitigen. Vom Parkplatz aus hätten wir einen schönen Blick auf Kabul. Es ist aber noch sehr diesig und man sieht nix. Der Eingang ist natürlich auch von Taliban kontrolliert. Früher hing dort auf dem mächtigen Fahnenmast die Afghanistan-Flagge, heute ist die weiße Taliban-Flagge gehisst. Auf der Flagge steht das Glaubensbekenntnis Shuhada: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Gott selbst gibt und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist.“ Es tummeln sich Fotografen, die Bilder von Besuchern zum Kauf anbieten. Und das im Handy-Zeitalter. Eben sind mehr Fotografen als Besucher vertreten. Hier konnten Männer früher auch zum Baden im Pool mit Sprungturm kommen. In der Nähe gäbe es noch einen christlichen Friedhof, für den wir uns aber nicht interessieren.
Azir kutschiert uns 10 Kilometer durch die ganze Stadt bis in den Süden zum Nationalmuseum, das auch in der Nachbarschaft zum Darul Aman liegt. Azir ist ein guter Fahrer und mit den Gegebenheiten vertraut. So fährt man einfach vor das Tor und hupt. Daraufhin öffnet sich – hoffentlich – das Tor und man kann parken. Im Anschluss werden Petra und ich von einer Frau kontrolliert, Taschen und Kleidung. Die Männer separat. Das Nationalmuseum existiert seit 1920 und hat sich mit 100.000 Exponaten einen Ruf in Zentralasien erarbeitet. Heute ist die Ausstellung auf den drei Etagen nicht mehr so bedeutsam, nachdem es 1996 während der Herrschaft der Taliban geplündert wurde. Einen Teil der Exponate konnte man in die Schweiz retten. Ganz konsequent ist man allerdings in der Ausstellung nicht, so steht zum Beispiel ein Königsmöbel mitten in der Historie.
Danach fahren wir nur ein bisschen weiter zum Darul Aman Palace. Azir fährt einen Toyota Corolla in Weinrot, der gebraucht aus Deutschland kam. Seinerzeit hat das Auto 6.000 $ gekostet, in Deutschland hätte man dafür etwa 500-1000 € bezahlt. Rechtslenker wären zwar billiger, er hat sich aber bewusst diesen Linkslenker ausgesucht. Taliban kontrollieren die dem Bau nicht angemessene Zufahrt. Taliban #2 hat schon den Ticketblock in der Hand. Für jeden soll der Eintritt 500 AFS (7,50 €) betragen. Für die Besichtigung des Inneren wären sie aber nicht zuständig, das obliegt dem Ministerium für Agriculture. Der Bau wurde ebenfalls in den 1920ern unter König Amanullah Khan unter Mitwirkung eines deutschen Architekten erstellt. Das geräumige Gebäude sollte Parlament, Regierungssitz sowie das Oberste Gericht aufnehmen. Der Palast brannte mehrmals aus, geriet unter Artilleriebeschuss und war zerstört. 2019 war die Rekonstruktion, die hauptsächlich von ausländischen Investoren finanziert wurde größtenteils fertiggestellt. Ich hatte mich gedanklich heute vor der Tour darauf eingestellt, dass wir einen Lost Place besichtigen könnten. Wir umwandern den Komplex. Auch Garten sieht man noch angelegt. Auch Nachfrage von Azir dürfen wir das Erdgeschoss des Palastes besichtigen, das in der Hauptsache einen Gang, gehalten in Marmor präsentiert.
Bevor wir zum Essen gehen, es ist eigentlich schon fortgeschrittene Zeit, besuchen wir noch den Kabuler Zoo. Durch die Kriege hat der Zoo arg gelitten und wir besichtigen, was noch davon übriggeblieben ist. Im Park darf man nicht rauchen und man darf auch keine Waffen mitbringen. Die Anlage ist meines Erachtens nicht unbedingt zur Haltung mancher Tiere, wie z.B. des Leoparden, den beiden Löwen, des Wolf und vor allem des Bären geeignet.
Der Zoo wurde 1967 am Ufer des Flusses Kabul großflächig angelegt. Hierfür war von dem damaligen Prinzen Nadir ein Komitee für zoologische Projekte einberufen worden, das in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Kabul sowie dem deutschen Zoologen und späteren Präsidenten der WAZA Gunther Nogge die Aufbauarbeiten leitete.
1972 verfügte der Zoo über 32 Arten von Säugetieren, 85 Vogelarten und vier Spezies von Reptilien. Insgesamt beherbergte der Zoo 417 Tiere, von denen einige von der IUCN auf der Roten Liste gefährdeter Arten geführt wurden. Zu den Geschenken auswärtiger Zoos zählten unter anderem ein Tigerpaar (Kölner Zoo), ein junger weiblicher Asiatischer Elefant (vom indischen Präsidenten Giri), ein Löwen- und Braunbärenpaar (neben weiteren Tieren) (China) sowie der allgemeine Zooliebling Marjan, ein männlicher Löwe (Kölner Zoo).
Von 1974 bis 1975 sowie von 1978 bis 1981 stand der Kabuler Zoo unter der Leitung des Zoodirektors und Professors der Universität Kabul, Ali Agha Nahif. Dieser etablierte 1980 den Bau einer veterinärmedizinischen Abteilung und eines modernen parasitologischen Labors im Kabuler Zoo. Darüber hinaus war er während seiner zwei Amtszeiten maßgeblich für den Aufbau von zeitgemäßen Freigehegen, eines Aquarium-Terrariums (1974), den Ausbau der Vogelsammlung und der Herausgabe der Zeitschrift Kabuler Zoo verantwortlich.
Durch den Bürgerkrieg in den 1990er Jahren wurde der Zoo wesentlich beschädigt, die Tiere wurden weitgehend getötet. Nach 2001 wurde der Zoo wieder teilweise hergerichtet.
Der Zoo litt deutlich an den lang anhaltenden Gefechten im Land. Die Nahrungsmittel der Tiere gingen an die Machthaber, Mudschaheddin erschossen den einzigen Elefanten und die meisten der Wildtiere, um diese zu essen.
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Gleich gegenüber ist der Hügel Koh-e Sher Darwauah (der auch Antennenberg genannt wird) mit dem Stadtteil Nawabadi Guzarzah, der in den Berg hineingebaut wurde. Heute ist keine gute Sicht. Wir hoffen bessere Konditionen am Freitag.
Nun fahren wir wieder ins Zentrum, zu einem guten Restaurant, das gutes Kebap anbieten soll. Das Restaurant liegt am Ende der Flower Street in deren Geschäften ganzjährig frische Blumen angeboten werden. Vor dem Restaurant und in dem Restaurant raucht es gewaltig, was von dem Kebap-Grill stammt. Wir sitzen im 2. Stock. Als das Licht ausgeht, wird der eigene Generator angeworfen. Die Kebabs sind ausgezeichnet. Nur wird es uns dann zu ungemütlich kalt und wir ziehen weiter. Wir kaufen noch ein paar Lebensmittel und es geht wieder zurück zu unserem wildromantischen Stellplatz, der wahrscheinlich mittlerweile im Schlamm versunken ist.