Noch vor 9 Uhr machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel aus Kabul auf. Heutiges Ziel ist Bamiyan. Dazu müssen wir über die Berge auf bis zu 3.500 Meter.
Unser Stellplatz in Kabul ist sehr zentrumsnah und dank meiner grandiosen Navigation finden wir gut ohne Schwierigkeiten mit Höhenbeschränkungen aus der Stadt heraus. Kreisel sind meistens eine kreative Herausforderung, oft werden sie auch von Verkehrspolizisten geregelt. Manchmal wirkt es so, als wüssten sie auch nicht so genau, wie es sich schlichten lässt. Wenn ein Autofahrer nicht so will, wie er, tritt er schon mal mit dem Fuß nach dem Auto oder er schlägt mit dem Schlagstock darauf. Hinaus führt uns die Strecke, über die wir auch gekommen sind. An dem Apfelkreisel in Maidan Shar geht es rechts ab auf die Char Rahe Maydan Shahr.
Noch kaum sind wir auf der Straße, gibt es auch schon die ersten Schlaglöcher. Man kommt keine 100 Meter ohne diese Unterbrechungen. Es ist eine Tortur. Auch hier versuchen Jungs, mit ihren vermeintlichen Straßenausbesserungsmaßnahmen sich Geld zu verdienen. Es geht auch durch zahlreiche Dörfer. Sie Häuser sind wieder Lehmbauten und teilweise auch mehrgeschossig. Man kommt auch an einem – so sagt die Straßenkarte – Schloss, die aussieht wie eine Festung, vorbei. Sie ist sehr außergewöhnlich und noch gut erhalten. Eigentlich ein Grund zur Besichtigung, doch wir sind zu ehrgeizig auf der Straße. Landwirtschaft beschränkt sich hier auf plantagenartig angelegte Bäume. Um welche es sich handelt, weiß ich leider nicht.
Man fühlt sich Afghanistan etwas entlehnt – mit dem herrlichen Gebirgspanorama im Hintergrund und den hier in der zentralafghanischen Region Hadzaraschat ansässigen Hazara, der drittgrößten Ethnie (5-10 Millionen), die in Afghanistan anerkannt ist. Es gibt zwei Theorien zu der Abstammung der Hazara. Doch unwissend dieser Theorien fühlt man sich schon beim ersten Eindruck sofort an Mongolen erinnert. Die Hazara sprechen Paschtu wie in Herat und sind Schiiten.
So hangeln wir uns weiter und weiter. Auf 2.700 Meter beginnt es zu schneien. Mal ist die Fahrbahn nur leicht verschneit, manchmal landen wir in vereisten Fahrrillen. Als der Schnee deutlich zunimmt, schalten wir unser Allrad zu. Die Lkws kommen uns mit Schneeketten entgegen. Taxis fahren ohne jegliche Unterstützung. Als sich die Fahrbahn entscheidend verjüngt und wir Lkws im Gegenverkehr haben, gleicht es einer Pattsituation. Jürgen versucht noch mit dem Bummer eine Ausweichstelle in die Schneewehe zu fahren. Die ersten Lkws schaffen die Milimeterarbeit. Doch jetzt bleibt ein mittlerer Lkw direkt nach uns im Schnee stecken. Theo, hinter uns, versucht ihn noch freizubekommen, ohne Erfolg. Irgendwann, es sind nur noch Pkws im Gegenverkehr, können wir uns wieder freikämpfen. Es geht weiter. Bald schon steht uns der nächste Lkw gegenüber und wir managen das irgendwie gut selbst. Wir machen uns bereit zur Weiterfahrt. DOCH dann ist die Taliban zur Stelle, es gibt eigentlich keinen Grund mehr. Dieser Talib hat aber anscheinend andere Ansichten und will uns links in den Schnee leiten. Als Jürgen (wie ich auch) nicht reagiert, deutet der Talib den Gebrauch seines Gewehres an. Ein zweiter kommt dazu und mit dem schaffen wir es, weiterzufahren. Hach.
Weit kommen wir nicht und wir stecken erneut fest. Es haben sich schon einige Fahrzeuge vor uns gestaut. Insgesamt hängen wir auch hier zirka 1 Stunde, bis der Lkw des Gegenverkehrs sich durchackert. An einem besonderen Abschnitt wünscht man sich wirklich keinen Gegenverkehr: einspurig, unser Auto passt gerade noch mit Aussenspiegeln durch, und links und rechts sind die Schneewände, durch die sich die Fräse durcharbeiten musste, um die 3 Meter hoch. Wir passieren die 3.500-Meter-Grenze und fahren schön wieder tiefer bis auf 2.500 Meter. Teilweise können wir den Verlauf der Straße nicht mehr erkennen. Dann ist die Straße ist fast schlagartig wieder frei und anscheinend neu gemacht. Auch die Sicht ist wieder besser, wenn es auch schon dunkel wird.
Es ist das erste Mal, dass ich in Afghanistan Verkehrsschilder gesehen habe. Nämlich bisher nur auf dieser Strecke über die Berge. Manche sind so verblichen, dass man nicht mehr erkennen kann, was sie einem sagen sollen, ansonsten wird mal die Geschwindigkeit geregelt und angezeigt, dass eine Kurve kommt.
Wir fahren noch bis zur Gabelung nach Bamiyan, fragen an einer Tankstelle und übernachten dort.
Heute morgen strahlt die Sonne und wir haben ein prachtvolles Panorama. Die Strapazen haben sich gelohnt. Wunderschön ist die Gegend anzusehen. Bis zu den Buddhas ist jetzt nicht mehr weit. Natürlich hat die Taliban auch hier Straßenkontrollen eingerichtet. An einer großen werden wir durchgewunken. Später müssen wir uns wieder ausweisen.
Zuerst fahren wir in den Ort, der 100.000 Einwohner hat. Auf der Haupteinkaufsstraße versuchen wir uns im Einkaufen. Es gibt keine Kühlschränke, in denen wir vielleicht Käse und Wurst finden könnten, stattdessen werden Tonnen an Bonbons verkauft und Samen, Kerne und Nüsse, auf der Straße findet man viel und schönes Angebot an Obst und Gemüse. Ich schaffe es wenigstens, Milch, Limonade und Cream Cheese zu kaufen. Ein Antiquitäten-Händler schafft es in meine Wahrnehmung. Ich sehe mich um und interessiere mich auch schlussendlich für zwei Silberringe und einen runden Anhänger für eine Halskette, so vermute ich. Jürgen interessiert sich für eine kleine Steinbead und sie wollen mir erzählen, dass es sich um eine Buddha-Bead handeln würde. Im Verhältnis haben wir für all die Dinge kaum Geld bezahlt.
Als wir die Stadt Richtung Buddhas verlassen, sehen wir schon die Nischen im Fels. Dieser Moment war sehr ergreifend. Nachdem wir die Gegend ein bisschen erkundet haben, parken wir auf dem vorbildlichen Parkplatz, der mit Kiesel aufgeschüttet ist. An der Einfahrt steht ein kleiner weisser ausgedienter Panzer. Daneben ist ein Fußballplatz.
Kaum auf dem Weg, will der engagierte Talib unsere Tickets sehen. Jürgen maschiert schon weiter. Ich frage noch “wo?”. Dazu deutet er immer Richtung Bamiyan und sagt immer das gleiche. Hilft nur nix. Petra und Theo nehmen sich seiner intensiver an und lassen sich von ihm schreiben, wo man die Tickets kaufen könnte. In der Übersetzung stehen drei Namen und das Wort “Bäckerei”. Dass die Taliban ausgerechnet hier Geld verlangen, ist schon etwas dreist bis paranoid. Die beiden fahren in die Stadt und werden auch auf Nachfragen nicht fündig. Ich bin dann auch mal bis zur 3. Statue unterwegs. Heute ist ein Traumtag. Die Sonne scheint, es ist nicht ganz so kalt wie erwartet, allerdings haben wir einen strengen Wind.
Die erste und größte (53 Meter) der ehemaligen Buddha-Statuen ist gleich direkt am Parkplatz. Die Nische ist innen mit Gerüst bestückt. Man hört, man beabsichtige, die Statuen wieder aufzubauen. Etwa 1 Kilometer liegen die Statuen auseinander. Eine kleine liegt dazwischen. Die 3. und letzte ist 35 Meter und nicht eingezäunt und man kann bis zum Fuß gehen.
Von hier oben sieht man gut die schön angelegten Felder.
Man sieht auch Öffnungen in dem Felsen, die wie Behausungen aussehen. Manchmal sieht man auch die Eingänge gemauert, sogar eine Tür habe ich gesehen.
2001 haben die Taliban die Buddhas in die Luft gesprengt, da sie vorislamischer Zeit entsprechen. Sie waren einst die größten stehenden Buddhas der Welt. Die Statuen entstanden zwischen dem 3. und 10. Jahrhundert und überstanden nicht einmal eine Ära der Taliban. Welch Schande. Aus den Trümmern haben sie noch einige Brocken gesichert und jeweils nahe der Nischen geschützt untergebracht.
Wir beschließen, die Nacht hier zu verbringen. Es ist noch früher Nachmittag. Wir haben es nicht geschafft, Brot zu kaufen. Da kommt Jürgen die Idee, einem der Jungen Geld zu bieten, für dass er uns Brot organisiert. Die meisten fragen sowieso nach Money. Ich vermittle mit dem Ältesten der Gang. 20 AFS bekommt er, um 2 Brote zu kaufen, 50 AFS bekommt er dafür, wenn er liefert. Es dauert nicht lange, da sehe ich ihn von einem Auto springen mit einer Tüte Brot in der Hand.
In der Zwischenzeit erscheint 1 Talib bei uns, der nach den Verständigungsschwierigkeiten telefoniert und mir das Telefon reicht. Der gut Englisch sprechende Kollege erklärt mir, wir hätten das Gelände zu verlassen. Der Parkplatz wäre nur für Tagesbesucher und Übernachtung wäre nicht sicher, wir sollten an einem Hotel parken. Jürgen übernimmt das Gespräch und wird sehr direkt, wir würden nicht fahren. Allerdings wären wir bereit, dem Talib mit dem Auto zu einem sicheren Platz zu folgen. Talib fährt los ohne aber auf uns zu warten. Wir fahren vermeintlich hinterher, können aber nicht folgen. Wir machen kehrt und stellen uns wieder auf den Parkplatz. Nach 1 Stunde klopft es wieder an der Tür. Ein Talib fragt uns nach unserem Befinden und stellt sich als unsere Security vor. Dann verlässt er uns wieder. Damit hätten wir es geschafft. Es dauert nicht lange und es klopft erneut. Diesmal stellen sich zwei Polizisten bei uns vor, die für die Sicherheit von Touristen verantwortlich wären – es wäre nicht Talibans Verantwortung. Nach vielem Hin und Her – nachts wäre es nicht sicher hier – wird der eine dann wirklich sauer und lässt uns keine Wahl mehr. Wir folgen ihnen in der Dunkelheit zu dem nahegelegenen Highland Bamiyan Hotel, wo wir nun innerhalb des Tores stehen. Auch ein bewaffneter Security-Mann ist in der Nähe.
Highland Bamiyan Hotel bei Tag.